1. Geschichte von Rehfelde und seinen Ortsteilen
Die ehemals selbständigen Dörfer Rehfelde, Werder und Zinndorf, die seit der Gemeindegebietsreform des Jahres 2003 die Gemeinde Rehfelde bilden, haben jedes für sich eine eigenständige Geschichte. Und dennoch ist ihre Entstehung und Entwicklung stark miteinander verwoben. Das Landschaftsbild aller drei Gemarkungen erhielt seine Ausprägung im Eiszeitalter seit etwa 18000 v. u. Z. Zeugen dafür sind u. a. die Findlinge und Lesesteine, die die Gletscher aus dem Norden hierher transportierten.
Historisch gesehen erfolgte die Gründung der drei Orte erst am Ende des Hochmittelalters. Doch bereits Jahrtausende zuvor weilten Menschen in unserer Region. So wurden Spuren früher menschlicher Siedlungen aus der Jungsteinzeit (von etwa 3 000 bis 2 000 v.u.Z.), der jüngeren Bronzezeit (etwa 1.200 bis 700 v.u.Z.) bis hinein in die Slawenzeit (etwa 8. Jahrhundert) auf der Gemarkung von Werder nachgewiesen.
Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts war der Barnim fest in slawischer Hand. Erst von da an begannen deutsche weltliche und geistliche Fürsten dauerhaft in die Gebiete östlich der Havel vorzudringen. Den südöstlichen Teil des Barnim eroberten die Wettiner, nachdem sie die Hauptburg der hier siedelnden Sprewanen, Köpenick, eingenommen hatten. Zur Sicherung und planmäßigen Erschließung des Territoriums schufen sie ein Netz von Städten und Dörfern. So entstanden um 1210-1220 u. a. Rehfelde, Werder und Zinndorf. Schriftliche Zeugnisse dafür sind allerdings nicht überliefert. Daher feiern die drei Orte nicht die Jubiläen ihrer Gründung sondern die ihrer Erstnennung. Für Rehfelde war es das Jahr 1247, für Werder 1309 und für Zinndorf 1375. Angelegt wurden sie als typische Angerdörfer. Inmitten des Angers erheben sich Jahrhunderte alte Feldsteinkirchen. Das Lehnschulzengut, die Höfe der Bauern und Kossäten sowie der Krug, alle entlang der geteilten Dorfstraße gelegen, prägten von Anfang an ihr Aussehen.
Um 1230 gerieten Rehfelde, Werder und Zinndorf unter die Grundherrschaft des Klosters Zinna. Markgraf Heinrich III. aus dem Hause der Wettiner hatte dem Kloster, das sich in großer Not befand, mehrere abgabefähige Dörfer auf dem Barnim zum Geschenk gemacht und somit den Fortbestand der Abtei gesichert. Um 1550 fiel das klösterliche Eigentum auf dem Barnim im Zuge der Reformation an den brandenburgischen Kurfürsten. Von nun an hatten die pflichtigen Bauern und Kossäten die Abgaben ebenso wie die ständig steigenden Frondienste an das Amt Rüdersdorf zu leisten. Unsägliches Leid brachte den Gemeinden der Dreißigjährige Krieg (1618-1648). Rehfelde und Zinndorf verloren etwa zwei Drittel, Werder die Hälfte ihrer Einwohner. Fast hundert Jahre waren danach notwendig, um die Zerstörungen zu überwinden.
Der Sieg Napoleons über Preußen 1806 war nicht nur mit neuen Lasten für die Bewohner verbunden. Er leitete auch grundlegende Veränderungen im gesamten Staatswesen ein. Im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen wurden die Bauern der drei Dörfer persönlich frei, sie erhielten das volle Eigentum am Boden; Dienste und sonstige feudale Verpflichtungen wurden aufgehoben und die Dreifelderwirtschaft überwunden. Der damit verbundene deutliche Anstieg der Produktion und der Einkommen der Bauern zog zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Welle der Erneuerung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude in den Orten nach sich. Die massiven, partiell aus Feldstein errichteten Häuser sind zum Teil bis heute erhalten.
Mit dem Bau der Strecke Berlin-Küstrin der preußischen Ostbahn (1865-1867) und insbesondere der Einrichtung einer Haltestelle auf der Rehfelder Gemarkung (1874) wurden die drei Dörfer direkt in das Netz der Wirtschaftsbeziehungen mit der Hauptstadt Berlin integriert. Ihre Entwicklung erhielt einen deutlichen Impuls. Besonders profitierte Rehfelde. In Bahnhofsnähe ließen sich Industriebetriebe nieder. Auf den hauptsächlich nördlich der Bahnlinie gelegenen Rehfelder Fluren begann eine neue Siedlungsbewegung, insbesondere von Bürgern aus Berlin. Unterschieden sich bis dahin die Einwohnerzahlen der drei Gemeinden nur geringfügig, so wuchs von nun an die von Rehfelde ungleich schneller und erreichte 1925 mit 1.537 Bewohnern das mehr als Dreifache der von Werder bzw. Zinndorf. Neben der Wohnsiedlung Bahnhof entstanden die Kolonien Herrensee, Herrenhorst, Richterswalde, Hanne, Elsholz, Scholz und Vogler. Die Neusiedler setzten durch, dass 1928 auf der Rehfelder Gemarkung ein zweiter Ostbahn-Haltepunkt, Herrensee, eröffnet wurde.
Der I. Weltkrieg, in dessen Ergebnis Deutschland etwa 1,9 Millionen Tote zu beklagen hatte, forderte auch von den Einwohnern Rehfeldes, Werders und Zinndorfs einen hohen Tribut. Allein Rehfelde zählte 26 Tote und Vermisste, d. h. mehr als zwei Prozent seiner Bevölkerung.
Mit der Übertragung der Macht an die Faschisten begann 1933 eine Entwicklung, die nach wenigen Jahren zum II. Weltkrieg führte. Große Teile der Einwohner der drei Gemeinden leisteten Hitler von Beginn an Gefolgschaft. Die NSDAP und ihre Gliederungen erhielten erheblichen Zulauf. Das System des Terrors, der Herrenideologie und des Krieges funktionierte. Dazu zählte die Zwangsarbeit in der Rehfelder Industrie und in der Landwirtschaft der drei Dörfer, zu der Hunderte Bürger aus den okkupierten Gebieten gepresst wurden. Doch nicht alle Einwohner nahmen die Entwicklung widerspruchslos hin. Kommunisten wie Wilhelm Betke oder das Mitglied der Bekennenden Kirche, Pfarrer Otto Perels, wagten Widerstand.
Spätestens 1945, dem Jahr der Befreiung vom Faschismus durch Einheiten der Ersten Weißrussischen Front der Roten Armee und des komplizierten Neubeginns, waren die Folgen des Krieges allgegenwärtig. Allein Rehfelde beklagte mehr als 120 Tote und Vermisste. Die Einwohner der drei Dörfer haben jedoch die Schwierigkeiten gemeistert, Unbekanntes gewagt und Vieles selbst geschaffen, so die Wiederingangsetzung der Wirtschaft, die Unterbringung der Flüchtlinge, die Bekämpfung von Seuchen, aber auch die Entrichtung von Reparationen an die Sowjetunion. Der Bodenreform, bei der etwa 1.000 ha enteignetes Land an landlose und landarme Bauern sowie Umsiedler verteilt und Neubauernhöfe errichtet wurden sowie der Industrie-, der Verwaltungs- und der Schulreform folgten ab 1952/53 gravierende Veränderungen in der Struktur der Landwirtschaft durch die Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Die zentrale Aufgabenstellung einer forcierten Vergesellschaftung der Produktion sowie die Erfordernisse, industrielle Methoden in der Landwirtschaft einzuführen, stießen auf den Widerstand der Mittel- und Großbauern. Ab Mitte der 1960er Jahre stabilisierte sich die Versorgung wieder. Eine Vielzahl neuer Wohnungen wurde gebaut, insbesondere in Rehfelde, und war dennoch nicht ausreichend. Neben einem neuen Einkaufszentrum und einem neuen Feuerwehrgerätehaus entstand ein Verwaltungsgebäude der LPG mit Klubgaststätte, ein zweites Schulgebäude mit Turnhalle, ein neuer Kindergarten, ein Jugendklub, eine zentrale Trinkwasserversorgung u. a.
Das Jahr 1990 leitete eine tiefgreifende Zäsur im Leben der drei Orte ein. Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der BRD bei. Der Schließung von Industriebetrieben stand eine vermehrte Gründung von Gewerbebetrieben gegenüber. Weitere Verbesserungen der dörflichen Infrastruktur gingen einher mit einem bedeutenden Zuwachs an Wohnstätten und Einwohnern. Dem beruflichen und gesellschaftlichen Fortkommen auf der einen Seite standen und stehen gesellschaftliche Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit als das größte soziale Problem gegenüber. Es sind Licht und Schatten, die wie seit jeher in der Geschichte existieren, beides ungleich verteilt und von den Beteiligten sicher ganz unterschiedlich wahrgenommen.
Ausführliche Darstellungen zur Geschichte Rehfeldes können zahlreichen Publikationen örtlicher Vereine entnommen werden.